3x3 Haustypen – Handlungsräume des Wohnens
Nach 140 Jahren als Betriebsgelände der Holsten-Brauerei werden die Flächen im östlichen Teil des Bezirks Altona nun zu einem Wohnquartier weiterentwickelt. Gleisanlagen und Brauereigelände prägten als terra incognita den Stadtteil. Innerhalb der städte- und hochbaulichen Vorgaben bildet der Entwurf zum einen klare Außenräume aus den Nutzungsbausteinen der neun Häuser aus und gewährleistet zum anderen mit vier Durchgängen und im EG durchgesteckten Erschließungskernen eine für ein urbanes Quartier notwendige Porosität im Block.
Der Wettbewerbsbeitrag wurde von der Jury mit dem 2. Preis ausgezeichnet. Die geplante Realisierung des ersten und zweiten Preises ist aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Investors bisher nicht weiterverfolgt worden.
Ort | Hamburg |
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Auftraggeber:in | Consus Einkaufs-GbR Holsten Quartiere |
Kooperationspartner:in | ifau| Sophia Grabow| Justus Griesenberg |
Zeitraum | 2021 – 2022 |
Status | Abgeschlossen |
Kategorie | Architektur, Wohnen |

Die drei Haustypen
Der Baukörper wird hausweise gegliedert und nach Nachbarschaften und Nutzungsbausteinen differenziert. Dazu werden – das städtebauliche Konzept weiterführend – drei Haustypen entwickelt, deren Charakteristika sich aus unterschiedlichen Handlungsräumen für die Bewohnerschaft bilden. Der erste Haustyp setzt den Fokus auf „Nachbarschaftliches Wohnen“ und bietet den Hausgemeinschaften mit Elementen wie durchlaufenden Balkonzonen, ausgestalteten Treppenräumen und gemeinschaftlichen Optionsräumen besondere Orte des Zusammenlebens. Der zweite Haustyp formuliert „Flexibles Wohnen“ als unterschiedliche Formen der Adaptierbarkeit in Nutzung und Planung; von zuschaltbaren Einliegerwohnungen bis zum Ausbauhauskonzept. Der dritte Haustyp „Grünes Wohnen“ eröfnet den Bewohner:innen besondere Handlungsräume hinsichtlich der Bepfanzung; die Pflanzzonen in den Fassaden bilden dabei immer auch nachbarschaftliche Möglichkeitsräume. Jeder Haustyp kommt im Drittelmix aus gefördertem, freifnanziertem und Wohnen im Eigentum einmal vor. Drei Haustypen mal drei Wohnungskategorien macht neun Häuser als Block – eine einfache, robuste, schützende Form, in Übereinkunft mit den öffentlichen Räumen, lässt Handlungsräume im privaten Bereich.

Die Motive zur Ausgestaltung der Gebäudesilhouette und der Fassaden sind dem Spannungsfeld zwischen dem industriellen Charakter der Hochbauten auf dem ehemaligen Betriebsgelände, der umgebenden Bebauung Altonas und dem modernen Wohnungsbau entlehnt. So führt der Entwurf behutsam wie spielerisch durch die urbane Transformation – vom verschlossenen brownfield zum aufgeschlossenen Wohnquartier mit allen zentralen Nutzungen.
An der langen Straßenfucht im Norden bildet der Entwurf im EG Atelierwohnungen mit erhöhter Raumhöhe und niveaugleichem Zugang von der Straße aus. Die vorderen Zonen der Atelierwohnungen können so auch gewerblich genutzt werden und der urbane Charakter entlang der Straße wird gestärkt. Räume für Gewerbe an den Ecken des Blocks ergänzen den Nutzungsbaustein an der Straße.
Auf den begehbaren Dächern entsteht für die Bewohner:innen des Blocks ein wichtiges Freiraumangebot mit hoher Aufenthaltsqualität. Die Dachterrassen werden teilweise mit Pergolen, Gewächshäusern und Pavillons qualifiziert und ermöglichen eine Vielzahl an Aktivitäten von Gärtnern bis Geburtstagsfeiern. Die nicht begehbaren Dachflächen sind begrünt und teilweise mit Photovoltaik ausgerüstet.

Im Nachhinein erscheinen zwei Momente zentral für den Entwurf: eine Ortsbegehung und die Annahme der regulatorischen als auch ökonomischen Bindungen als Grundlage zur Ermöglichung von Handlungsräumen.

I
Gleich zu Beginn der Projektarbeit begehen ifau und projektbüro den bereits realisierten Teil der neuen Mitte Altona. Im Rahmen der Ortsbegehung werden einzelne Situationen fotografisch untersucht. Darüberhinaus finden mehrere Interviews mit Bewohnenden statt. In den Gesprächen geht es um den Alltag in der Wohnung, im Haus und im Quartier, aber auch die Finanzierung der jeweiligen Wohnung. Die Ergebnisse dieser beiden Arbeitsschritte erweitern die vorhandenen Grundlagen und dienen als Einstieg in die Entwurfsarbeit.
II
Die Grundlagen und die Auslobung zeichnen ein klares Bild über das Interesse des Investors und das städtebauliche Leitbild: verhältnismäßig große Blöcke um eine kosteneffiziente Realisierung zu gewährleisten, bei gleichzeitiger Akzentuierung der einzelnen Gebäude, um einen gewohnten Maßstab der europäischen Stadt auszubilden. Ifau holt die Stadthausentwürfe Marburg von Oswald Mathias Ungers als Referenz hervor. Dort setzt Ungers auf die Ausbildung starker Typen über Varianten einzelner Elemente. Ifau und projektbüro bilden sämtliche Bindungen entsprechend der Häuser ab und generieren die Ausbildung der Typen darüber. Der Fokus der weiteren Entwurfsarbeit liegt in der Ermöglichung von Handlungsräumen innerhalb der über die Parameter vorgegebenen Gestaltung.
